Gaben mit dem 18. Energieforum Impulse für die Wärmewende in OWL, von links: Klaus Meyer (Energie Impuls OWL), Matthias Carl (IHK Lippe), Arne Potthoff (IHK OWL), Michael Rumker (Depenbrock), Michael Kapke (Reich + Hölscher), Prof. Dr. Rolf Bracke (Fraunhofer IEG). Foto: Kummrow
Regenerativ erzeugte Wärme ist wettbewerbsfähig
Tiefen NRWs weitgehend unentdeckt
Bracke gab den rund 70 Gästen des 18. Energieforums mit, dass man bei der Nutzung von Erdwärme über vier verschiedene Geothermie-Horizonte spricht: Aus einer Tiefe von 15 bis etwa 400 Meter könnte eine Temperatur von 15 Grad Celius gewonnen werden, in einer Tiefe zwischen 1.000 und 2.000 Metern rede man schon über 35 bis 80 Grad. Mehr gibt es nur bei Tiefen zwischen 3.000 und 5.000 Metern, nämlich 100 bis zu 180 Grad Celsius. Das erste Level reiche für Haushalte, das zweite für die meisten gewerblichen Nutzungen. Beim dritten Niveau könne man schon Dampf erzeugen. Tiefer müssten nur jene Anwender bohren, die Hochtemperaturanwendungen wie in der Stahl- oder Chemieindustrie betreiben. In Teilen Deutschlands seien die Tiefen schon durch die Suche nach Erdgas oder Erdöl gut exploriert. Das gelte vor allem für den Westen, Niedersachsen und die Oberrheinregion, nicht jedoch für die Ballungsräume wie das Ruhrgebiet oder für Ostwestfalen.
„NRW muss bei Geothermie vorangehen“
Eine Energiewende ohne Wärmewende kann sich der Bochumer Professor nicht vorstellen. In Deutschland werden seiner Forschung nach rund 788 Terrawattstunden Wärme pro Jahr im urbanen Kontext benötigt, 604 im Bereich der Industrie. Deshalb müsse auch NRW bei der Weiterentwicklung der Nutzung von Erdwärme vorangehen. Rund 75 Prozent der Bestandsgebäude könne man mit Erdwärme versorgen, dabei müsse man aber auch in dezentralen Wärmenetzen denken. Vorreiter seien Städte wie München, Wien oder Paris. Auch im Ruhrgebiet zeige sich mehr und mehr Interesse. Im ländlichen Raum könne man zudem Biogas oder Solarthermie zur Unterstützung von Heizsystemen einbinden.
Alte Thermalquellen reaktivieren
Bislang gibt es in ganz Deutschland gerade einmal 42 große Geothermie-Anlagen, davon arbeiten 30 in München. Das hat seinen Grund: Die nötigen Bohrungen sind teuer. 2 Mio. Euro koste eine Bohrung je Megawatt Wärme, aber das sei schon heute wettbewerbsfähig. Eine Tiefenbohrung schlage hingegen mit 10 bis 15 Mio. Euro zu Buche. Ein weiteres Potential der Geothermie sei es, dass der Untergrund nicht nur im Winter beim Heizen helfe, sondern im Sommer auch zur Kühlung beitragen könne. „Wir entdecken unsere Tiefen gerade neu,“ sagte Brock. So plane man derzeit in Aachen, die alten Thermalquellen zu reaktivieren, „nachdem man 50 Jahre mit Braunkohle geheizt hat.“
Regenerativ ist alternativlos
Michael Kapke vom Ingenieurbüro Reich + Hölscher berichtete den Gästen aus Industrie und Handel, wie sehr sich Planung und Betrieb von Heiz- und Kühlsystemen in jüngster Zeit verändert haben: „Wir errechnen heute die Bedarfe jedes Gebäudes auf die Kilowattstunde genau und planen komplexe Systeme mittels ausgefeilter Simulationssoftware.“ Auch bei dem späteren Betrieb gehe es nicht ohne eine umfassende MSR-Technik und eine KI-gestützte Software, die zum Beispiel lokale Wetterprognosen nutze, um die Trägheit der Steuerung von Flächenheizungen zu überwinden.
Zeit der Interimslösungen vorbei
Kapke plant seit 25 Jahren Versorgungstechnik. Er ist sich sicher, dass die Zeit der Interimslösungen vorbei ist: „Wir können heute wärmeerzeugende Anlagen planen und bauen, die zu 100 Prozent regenerative Energien nutzen.“ Deshalb solle man es auch tun. Und zwar nicht nur mit Blick auf den Geldbeutel, sondern auch mit den Zielen, Unabhängigkeit sowie Sicherheit zu gewinnen. Kapke stellte die CI factory von engelbert strauss in Schlüchtern sowie das Klimaschutzquartier Grünheide in Bielefeld als Beispiele für die neue Art zu planen und zu bauen vor.
Fallbeispiel Depenbrock beeindruckt
Die Gäste beeindruckte auch das Fallbeispiel Depenbrock Gruppe. Deren Bereichsleiter Gebäudetechnik, Michael Rumker, berichtete, wie sich der in vierter Generation inhabergeführte Mittelständler aus Stemwede (1.300 Mitarbeiter, 476 Mio. Euro Umsatz) seit Jahren darum bemüht, seine Standorte klimaneutral weiterzuentwickeln. Die Zuhörer beeindruckte die Komplexität, die Vielzahl der unterschiedlichen Gebäude wie auch das nur in Teilen von Förderung gestützte Gesamtinvestment. Das amortisiert sich auch dadurch, dass der in vielen Bereichen erfolgreiche Bau-Generalunternehmer seinen eigenen Bestand dafür nutzt, um Kunden zu beweisen, was im Bereich Energiesparen heute möglich ist. 2020 bekam Depenbrock den Nachhaltigkeitspreis der Deutsche Bundesstiftung Umwelt.