Öko-Siedlung Marbeck-West
– Im Bau –

Wärme aus Abwasser für die Öko-Siedlung Marbeck-West

Die Kreisstadt Borken setzt hohe ökologische Standards bei der Entwicklung von Neubaugebieten. Im Stadtteil Weseke wurde bereits ein kaltes Wärmenetz mit Tiefenbohrungen realisiert. Nun galt es für das nächste Baugebiet „Am Beckenstrang“ im Ortsteil und Golddorf Marbeck (knapp 2.500 Einwohner) eine Lösung zu finden, die die örtlichen Gegebenheiten optimal ausnutzt. Entstehen wird ein Niedertemperaturnetz, das künftig 30 Einfamilien- und Doppelhäuser sowie fünf Mehrfamilienhäuser mit Wärme versorgt. Das ist das Ergebnis eines systematischen Vergleichs sinnvoller Varianten: Auf Basis von Jahressimulationen wurden der Brennstoffbedarf, der Umwelteinfluss und die Wirtschaftlichkeit untersucht, um dem Bauherrn eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu bieten.

Wärmequelle in der Nachbarschaft

Ihre Hauptwärmequelle fanden die Planer von Reich + Hölscher in der unmittelbaren Nachbarschaft des Neubaugebiets: durch das Gelände einer ehemaligen Kläranlage fließt noch in unterirdischen Leitungen der Abwasserstrom mehrerer Ortsteile. Über einen speziell entwickelten Kollektor wird dem Abwasser die Wärme entzogen; bei Bedarf werden Luftwärmepumpen zugeschaltet. Strom wird mit Hilfe einer Freiflächen-PV-Anlage auf der Brachfläche des alten Klärwerks erzeugt. Von einem zentralen Warmwasserspeicher aus wird das erwärmte Wasser in die Häuser verteilt. Die erreichten Temperaturen reichen in den nach höchsten Standards gebauten Häusern für die Beheizung aus. Für Warmwasser ist eine Temperaturanhebung mittels Strom nötig, den dann zum Beispiel PV-Anlagen auf den Dächern der Häuser beisteuern.  

So sieht der Gestaltungsplan für die Ökosiedlung „Am Beckenstrang“ westlich des Marbecker Ortskerns aus: Oben im Bild erkennt man die Energiezentrale, die Freiflächen-PV-Anlage sowie das Pumpenhaus mit dem Abwasser-Wärmetauscher. Wer dort baut, muss nicht in eigene Wärmepumpen investieren, sondern kann von einem von Reich + Hölscher entwickelten Nahwärmenetz profitieren. Bild: Stadt Borken

Simulation von Bedarfen und Potentialen

Das Versorgungsgebiet wurde mittels digitaler Gebäudemodelle und synthetischer Lastprofile für den Trinkwarmwasserverbrauch und den Stromverbrauch der Haushalte zur Grundlage der Jahressimulationen. Eine besondere Herausforderung war dabei die Modellierung des Abwasserwärmetauschers, um eine gute Prognose der aus dem Abwasser verfügbaren Energie und Gesamtperformance erzeugen zu können. Die Lasten der Verbraucher wurden für die Varianten mit zentraler Wärmeversorgung über ein Nahwärmenetz mit der Zentrale gekoppelt. In den domänenübergreifenden Simulationen wurden die Umweltenergiepotentiale von Geothermie, Solarthermie, Photovoltaik und der nutzbaren Abwärme des Abwassers mit Wärmepumpen, Solarkollektoren und PV-Modulen in der Zentrale verschaltet. Insbesondere bei multivalenten Anlagen legten die Planer früh ein besonderes Augenmerk auf die Optimierungspotentiale in Bezug auf die Größe der thermischen Speicher und der zugehörigen Regelstrategien.

Innovatives Konzept spart 25,5 Tonnen CO2

Das geplante Niedertemperaturnetz überzeugt: Gegenüber dem Einsatz dezentraler Luftwärmepumpen an den Häusern können durch den geringeren Strombedarf der Vorzugsvariante pro Jahr rund 25,5 t CO2-Äquivalente vermieden werden. Trotz der Anwendung eines speziellen Abwasserwärmetauschers kann die Wärmeerzeugung eine halbe Million Euro günstiger als ein kaltes Nahwärmenetz für das gleiche Quartier erstellt werden. Ein Anschluss an das Niedertemperaturnetz wird für die künftigen Bauherren nicht nur Pflicht, sondern auch Freude: Das innovative Wärmeversorgungskonzept wird den künftigen Bewohnern sowohl in der Bauphase wie auch dauerhaft viel Geld sparen.

Vereinfachtes Schema des Energiekonzepts für die Ökosiedling Marbeck-West: Die Versorgungssicherheit wird durch Wärmepumpenluftkühler gewährleistet, sobald das verfügbare Leistungspotential aus dem Abwasser nicht mehr ausreicht, um den Wärmebedarf des Quartiers zu decken. Die einzelnen Gebäude brauchen keine Wärmepumpen, nur eine PV-Anlage für die Stromerzeugung. Grafik: Reich + Hölscher

Die Auswertung der Langzeitmessung zu den auf dem alten Klärwerksgelände aufgetretenen Volumenströmen (links) hat unter zu Hilfenahme des synthetischen Kennlinienfeldes (rechts) das Leistungspotential des Abwasserwärmetauschers in der Mitte ergeben. Die Kastengrafik zeigt, dass die Leistung im Jahresverlauf dynamisch um den Median von 60 kW schwankt.
Grafik: Reich + Hölscher

 

Betriebsoptimierung Teil des Auftrags

Reich + Hölscher begleitet das Bauvorhaben nicht nur von der Konzeptphase über die Planungsphase bis hin zur Umsetzung. Die Bielefelder Ingenieure für Versorgungstechnik übernehmen gern auch die weitere Betriebsoptimierung nach der Inbetriebnahme der Anlage. Gefördert wurden die Stadtwerke Borken/Westf. über einen sogenannten Wärmegutschein des deutsch-niederländischen INTERREG-Projekts Task Force Wärmwende.

 

Projekt

Entwicklung und Realisierung einer maximal regenerativen Wärmeversorgung für ein Neubaugebiet

Entwurf

Reich + Hölscher TGA-Planer GmbH

Bearbeitete Leistungsphasen

1-9

Auftraggeber

Stadtwerke Borken/Westf. GmbH

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