Legionellen-Gefahr: Reich + Hölscher wirkt an Normung besserer Technik mit

8. November 2021
Joachim Kummrow

Das Bielefelder Ingenieurbüro Reich + Hölscher bringt seine Expertise jetzt in ein nationales Forschungsprojekt mit dem Titel „TA-DTE XL“ ein. Dabei geht es um die eine seit drei Jahrzehnten überfällige Normung großer Durchlauferhitzer. Die sollen künftig verstärkt in allen Immobilien zum Einsatz kommen, die dauerhaft oder zeitweise von vielen Menschen genutzt werden. Sie sollen bisherige Warmwasserspeicher im XL-Format ablösen, in denen es immer wieder zu Problemen mit Legionellen gekommen ist.

Für Reich + Hölscher sitzt Till Eckert im Fachlichen Begleitkreis des Forschungsprojekts. Der 27-jährige Ingenieur für Technische Gebäudeausrüstung hatte schon als Werkstudent und anschließend als Techniker in der Produktentwicklung eines Systemherstellers mit dem Thema zu tun. Auch war die Trinkwasserhygiene in regenerativen Energiezentralen Teil seiner Bachelorarbeit.

Projektplaner Till Eckert (27) vom Ingenieurbüro Reich + Hölscher bringt seine Expertise in ein nationales Forschungsprojekt ein: Ziel ist eine ebenso bedarfsgerechte wie energieeffiziente Auslegung von Durchfluss-Trinkwassererwärmern in großen Gebäuden.
Projektplaner Till Eckert (27)

Trinkwasser-Bakterien im Fokus

Kaum etwas fürchten die Betreiber von Altenheimen, Krankenhäusern mehr als Bakterien im Trinkwasser. Besonders im Fokus sind Legionellen, die sich in den bis zu 10.000 Liter großen Warmwasserspeichern und im Rohrnetz bis zu Duschen und Waschbecken ansiedeln. Gefährlich wird eine starke Vermehrung, wenn erwärmtes Wasser lange steht. Werden die beim Öffnen der Duschen austretenden, belasteten Aerosole eingeatmet kann das vor allem bei Menschen mit einem schwachen Immunsystem schwere bis tödliche Lungenentzündungen verursachen.

Rund 1.500 Fälle von Legionellenbefall werden laut RKI Jahr für Jahr den deutschen Gesundheitsämtern gemeldet. Denn seit einigen Jahren müssen die Betreiber größere Warmwasserspeicher regelmäßig beproben.
Rund 1.500 Fälle von Legionellenbefall werden laut RKI Jahr für Jahr den deutschen Gesundheitsämtern gemeldet. Denn seit einigen Jahren müssen die Betreiber größere Warmwasserspeicher regelmäßig beproben.
Bei Menschen mit Immunschwächen können beim Duschen, Baden oder Händewaschen eingeatmete Legionellen zu schweren Lungenentzündungen mit Todesfolge, der sogenannten Legionärskrankheit, führen.
Bei Menschen mit Immunschwächen können beim Duschen, Baden oder Händewaschen eingeatmete Legionellen zu schweren Lungenentzündungen mit Todesfolge, der sogenannten Legionärskrankheit, führen.

Problem große Warmwasserspeicher

Das Risiko steigt, je länger Duschen ungenutzt bleiben. Deshalb ist das Problem auch in Hotels, in Sporthallen, in Freizeitheimen oder auf Campinglätzen bekannt. Hinzu kommt: die Vorhaltung von Warmwasser an Orten, wo nur zeitweise viele Menschen gleichzeitig viel Warmwasser nutzen, ist teuer. Eine technische Lösung bestand bislang darin, die Speicher regelmäßig über jenen Temperaturpunkt zu erhitzen, an dem die Legionellen sterben. Das war noch teurer und funktionierte nicht immer. Eine sichere Alternative sind hingegen sogenannte Durchfluss-Trinkwassererwärmer, in der Fachsprache auf DTE verkürzt. Sie sind die XXL-Varianten jener Durchlauferhitzer, die man aus dem Haushalt kennt.

Seit Jahren ist bekannt, dass das Duschen in nur zeitweise genutzten Gebäuden gefährlich sein kann. Die Betreiber von Sporthallen oder Hotels – um nur zwei Beispiele zu nennen – können durch eine Aufrüstung ihrer Technik die Gefahr von Bakterienschwemmen mindern.
Seit Jahren ist bekannt, dass das Duschen in nur zeitweise genutzten Gebäuden gefährlich sein kann. Die Betreiber von Sporthallen oder Hotels – um nur zwei Beispiele zu nennen – können durch eine Aufrüstung ihrer Technik die Gefahr von Bakterienschwemmen mindern.

Durchlauferhitzung löst Probleme

Der Umbau der Warmwasserversorgung auf DTE klingt einfach, gestaltet sich aber oft schwierig. Denn es gibt gerade für große Anlagen kaum Erfahrungswerte. In der Folge waren bisher Neu- und Umbauten häufig überdimensioniert und deshalb nicht energieeffizient. Investoren scheuen die Durchfluss-Trinkwassererwärmer zudem, weil Produkte und Vorgaben der Hersteller nicht vergleichbar sind.

Erfahrungen und Normen fehlen

Der Grund ist simpel: Bislang gibt es für die Hersteller, Planer und installierenden Handwerker in Deutschland weder Technische Anleitungen noch Normen für eine dem spezifischen Bedarf entsprechende Dimensionierung. Auch fehlen Erkenntnisse über die Nutzerverhalten in den unterschiedlichen Anwendungen sowie über die Komfortansprüche der Nutzer. Wissenschaftliche Grundlagen und deren fachliche Bewertung soll jetzt eine Studie erbringen, die vom Institut für Solarenergieforschung (ISFH) in Hameln geführt wird. Denn das Fehlen von Technischen Anforderungen (TA) und Norm erweist sich zugleich als Markthemmnis für die Technologie.

Verbundprojekt mit vielen Partnern

Das Verbundprojekt mit dem Kürzel TA-DTE-XL (für Technische Anforderungen für große Durchfluss-Trinkwassererwärmer) hat viele Partner: Neben dem ISFH stellen 14 Modulhersteller, drei Reglerproduzenten, vier Industrieverbände und der DIN-Normungskreis Kapazitäten bereit.  Mit vier Planungsbüros – darunter Reich + Hölscher – , drei Multiplikatoren und zwei Kommunen ist ein Fachlicher Begleitkreis besetzt. Einen Großteil der rund 1,15 Mio. Euro für die auf drei Jahre angelegte Projektarbeit steuert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bei. Weitere Ressourcen bringen die Industriepartner und der Fachliche Begleitkreis ein.

Drei Jahre harte Arbeit

Bis Januar 2024 sollen die Ergebnisse in eine neue TA und im nächsten Schritt vermutlich auch in eine neue DIN-Norm einfließen. Bis dahin ist noch viel Arbeit zu tun: Typische Anlagen müssen gefunden, Messsensorik installiert und unzählige Werte erfasst und erhoben werden. Parallel ist zu ermitteln, welche Temperaturen von den unterschiedlichen Nutzern erwartet werden. Am Ende ist der Fachliche Begleitkreis gefragt, alle Ergebnisse zu bewerten und Empfehlungen und Grenzwerte für die TA und die DIN-Norm zu erarbeiten.

Engagement hat Priorität

Für Reich + Hölscher-Inhaber Michael Kapke ist das Engagement in dem Projekt eine Ehre: „Wir freuen uns, wenn wir mit unserem Wissen über DTE-Anlagen einen Beitrag zu mehr Sicherheit, Komfort und Energieeffizienz in der Gebäudetechnik leisten können.“ Das Projekt genießt im Hause eine hohe Priorität, „weil unserer Meinung nach die Trinkwasserversorgung großer Neubauprojekte nicht mehr ohne eine vollumfängliche Nutzung regenerativer Energien geplant werden darf“, so Kapke.

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